Sie setzen sich seit Jahren für Kinder und Jugendliche ein, haben unter anderem eine eigene Stiftung – die Sauti Kuu Foundation – gegründet. Wo liegt der Schwerpunkt Ihrer Arbeit mit jungen Menschen?
Auma Obama: Im Rahmen meiner Stiftung arbeite ich mit Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen 4 und 25 Jahren. Sauti Kuu bedeutet auf Suaheli „starke Stimmen“ – wir möchten, dass die Jugendlichen lernen, ihre Stimme zu benutzen. Es geht darum, dass die Heranwachsenden wahrgenommen werden. Denn vielen jungen Menschen aus ärmlichen Verhältnissen oder benachteiligten Familien fehlt es an Selbstwert. Erwachsene erwarten oft von Kindern, dass sie still schweigend tun, was ihnen gesagt wird. Bei Sauti Kuu lernen sie, die Verantwortung für sich selbst zu übernehmen und aktiv zu werden. Denn ein Mitspracherecht ist auch immer mit einer Mitverantwortung verbunden. Es geht darum, die Passivität abzustreifen.

Wie sieht die Arbeit bei Sauti Kuu in der Praxis aus?
Obama: Das geschieht über verschiedene Ansätze. Über Sport, Theater, Rhetorik, Workshops zur Persönlichkeitsbildung, Kommunikation und Ethik. Letzteres ist ein sehr wichtiges Thema, denn Jugendliche ohne Perspektive haben keine Werte mehr, sie tun, was notwendig ist, um durchzukommen. Wir versuchen aufzuzeigen, welche Konsequenzen das nach sich zieht. Bildung und Einkommenserzeugung sind weitere Schwerpunkte unserer Arbeit. Wir sind gerade dabei, eine Ausbildungsstätte zu errichten, um Heranwachsenden die Möglichkeit zu bieten, eine handwerkliche Tätigkeit zu erlernen. Denn meistens herrscht die Vorstellung, dass nur der erfolgreich ist, der ein Studium absolviert hat und im Büro arbeitet.
Es geht also auch darum, mehrere Möglichkeiten für den Lebensweg aufzuzeigen und vor allem mit den Vorurteilen aufzuräumen?
Obama: Genau. Nicht alle können an die Uni, vor allem dann nicht, wenn sie keine Sponsoren beziehungsweise Stipendien haben. Aber dann einfach nichts zu machen, ist keine Alternative. Wir möchten den Jugendlichen beibringen, auch die handwerklichen oder landwirtschaftlichen Tätigkeiten zu erlernen und zu schätzen. Denn schließlich geht es darum, finanziell unabhängig zu sein, ohne auf irgendwelche illegalen Tätigkeiten zurückzugreifen. Uns ist es ein Hauptanliegen, den jungen Menschen aufzuzeigen, welche Möglichkeiten sie haben. Wir möchten helfen, dass aus ihnen erfolgreiche, verantwortliche Erwachsene werden, die finanziell unabhängig sind.
Bei Sauti Kuu wird Ihre Arbeit beim World Future Council sozusagen in die Tat umgesetzt?
Obama: Ja. Wir zeigen den Kindern, dass sie mitbestimmen können, und dass sie Rechte haben. Wir informieren sie darüber. Diese können sie auch hinterfragen, wie im Fall einer Kinderrechtsgesetzgebung von Sansibar. Dort hatten die Mädchen und Buben die Möglichkeit mitzubestimmen, was in diesen Rechten enthalten sein soll, was wichtig für sie ist. In dem Moment, in dem sie diese Rechte kennen, haben sie aber auch eine Verantwortung. Sie müssen verstehen, welche Rolle sie in der Welt spielen. Denn das Interessante ist ja, je technisch fortgeschrittener die Gesellschaft ist, desto schwieriger wird es für Jugendliche, ihren Platz zu finden. Während früher die Rollen von Kindern und Heranwachsenden ziemlich genau definiert waren – auch wenn nicht alles gut war – so sind diese heute verschwommen. Wir Erwachsenen müssen darauf achten, dass wir ihnen das aufzeigen.
Lässt sich das mit dem Mitspracherecht und der Selbstbestimmtheit vereinbaren?
Obama: Natürlich. Es muss nur eine Diskussion sein, in der jeder ein Mitspracherecht hat. Leider passiert das nicht oft. Vielleicht liegt das in der Generationenkluft begründet, oder weil man glaubt, die kriegen das schon irgendwie hin. Doch eigentlich geht es darum, der jungen Generation ihr Potenzial zu zeigen, ihre Ressourcen zu nutzen. Einer unserer Leitsprüche lautet: Lebenslust statt Lebensfrust. Man muss wieder diese Lust bekommen, sein Leben zu gestalten. Die Menschen müssen wegkommen von dem Denken „ich kann ja nichts beeinflussen“. Man kann immer etwas beeinflussen.
Sie haben mit jungen Menschen in Kenia, in Deutschland sowie in England gearbeitet. Abgesehen von den Rahmenbedingungen – unterschieden sich die Themen sehr, die die Jugendlichen bewegen?
Obama: Im persönlichen Bereich sind das sehr ähnliche Themen. Unsicherheit, Selbstwert, Verantwortung, Mitspracherecht – das beschäftigt Mädchen und Burschen weltweit. Ich würde meinen, Jugendliche im europäischen Raum haben eher eine emotionale Not. In der westlichen Welt wird man häufig über Leistung und Arbeit definiert. Da geht es vor allem um den Selbstwert. In Kenia beschäftigen sich die wenigsten mit der Frage „Wer bin ich?“ Sehr oft steht die materielle Not im Vordergrund. Da setzen wir an. Wir möchten den Betroffenen vermitteln: Du zählst, du bist als Person wichtig, du hast Rechte und kannst etwas bewegen. Du musst dafür aber selbst aktiv werden und nicht darauf warten, dass andere dich bestimmen oder definieren. Sie müssen lernen, ihr eigenes Schicksal in die Hand zu nehmen und zu gestalten. Das gilt für alle Jugendlichen, mit denen wir arbeiten.
Sie haben als Jugendliche Ihr Schicksal auch selbst in die Hand genommen.
Obama: Vieles, was ich gemacht habe, habe ich trotz meiner Eltern getan. Ich wollte mitbestimmen, was aus mir einmal werden sollte und habe dann eine recht drastische Maßnahme ergriffen. Ich bin damals noch als Minderjährige aus Kenia weggegangen. Aber ich hatte mich vorab informiert, ich hatte einen Plan. Man kann nicht einfach abhauen, vor allem, wenn man keine oder nur wenige finanzielle Möglichkeiten hat. Ich habe mich um ein Stipendium beworben und das hat funktioniert. Wichtig war natürlich auch, dass ich die deutsche Sprache beherrschte, um eine Stimme zu haben, um zu kommunizieren und gehört zu werden. Auf meinem Lebensweg hatte ich auch immer wieder Menschen, die an mich geglaubt und mir zugehört haben. Deswegen weiß ich, wie wichtig es ist, dass jemand an dich glaubt und dir einen Weg zeigt. Das kann das Leben verändern. Und so eine Person braucht eigentlich jeder junge Mensch in seinem Leben. Deswegen möchte ich das nun weitergeben.
Was erwarten Sie sich vom zehnten World Future Forum in Bregenz?
Obama: Wir arbeiten weiter daran, die Kinderrechte umzusetzen. Ich bin optimistisch und denke, wir schaffen es, einen Eindruck zu vermitteln und die Erkenntnis zu fördern, dass man die Kinder mit einbeziehen muss. Denn wenn wir alt sind, dann übernimmt die heutige Jugend das Steuerruder. Ich will ein schönes Leben im Alter haben und dafür will ich meinen Teil beitragen, indem ich die Mädchen und Buben heute unterstütze. Ich hoffe und denke, dass ich so ein Beispiel geben kann, dem immer mehr Menschen folgen.

Eine starke Stimme

Auma Obama ist Mitglied des Weltzukunftsrates, der derzeit in Bregenz tagt. Klaus Hartinger

Auma Obama ist Mitglied des Weltzukunftsrates, der derzeit in Bregenz tagt. Klaus Hartinger

Interview. Mit ihrer Arbeit möchte Auma Obama Kindern und Jugendlichen Selbstwert vermitteln. Und sie ermutigen, ihre Zukunft selbst in die Hand zu nehmen.


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